Heute vor 40 Jahren…
Heute vor 40 Jahren…
Im August 1983 ließ der amtierende Bürgermeister Günther Metzger (SPD) ein von D Roma bewohntes Wohnhaus in einem Hinterhof in der Arheiliger Straße abreißen, während die Familien im Urlaub waren. In dem Haus befanden sich noch sämtliche persönlichen Gegenstände, wie Fotos von Verstorbenen, Möbel etc. und eine im Keller von der Stadt zuvor eigens eingerichteten Kupferwerkstatt. Bei ihrer Rückkehr mussten sie ihren Besitz in den Trümmern der Häuser suchen.
Die insgesamt acht Erwachsenen und elf Kinder wurden ebenfalls, wie zuvor schon die Bewohner*innen der Wormser Str., an den Stadtrand in die Grafenhäuser Str. gebracht, wo sie zunächst nur notdürftig in Zelten und dann in Wohnwagen unterkamen. Die Stadt kündigte an Holzbaracken bauen zu wollen. Günther Metzger hatte sämtliche antiziganistischen Stereotype bedient und den Abriss mit angeblicher Seuchen- und Einsturzgefahr zu begründen versucht. Personen aus dem Umfeld der Familien, wie ein für die Betreuung der Familien zuständiger Sozialarbeiter widersprachen diesen Vorwürfen deutlich. Unter anderem der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma protestierte und verurteilte das Vorgehen der Stadt als „rassistisch“ und verglich die betriebene Diffamierung mit der des NS-Hetzblattes »Der Stürmer«. Dem Protest schlossen sich auch namhafte Personen wie Simon Wiesenthal, Heinrich Böll, Eugen Kogon oder Heinz Galinski an.
Bei der Stadt Darmstadt gab es hingegen kein Einsehen, im Gegenteil: Wegen des Rassismusvorwurfs und des Vergleichs mit der NS-Hetze, klagte Metzger wegen Beleidigung. Darüber hinaus wurde 1984 eine der Roma-Familien nach Jugoslawien abgeschoben, obwohl diese keinen gültigen jugoslawischen Pass besaßen. Aufgrund der fehlenden Pässe wurden die Erwachsenen bei Ankunft inhaftiert und die Kinder in Heimen untergebracht. Dies bezeichnete das Verfassungsgericht später als rechtswidrig und fordert die Stadt Darmstadt auf, alle Schritte zurückzunehmen und die Familie auf eigene Kosten wieder nach Darmstadt zu bringen. Auch den Prozess wegen Beleidigung verlor Günter Metzger mit Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt im März 1985. Nach der Abschiebung verließen aufgrund der anhaltend feindseligen Rhetorik des Bürgermeisters und der wachsenden Bedrohung weitere Roma-Familien Darmstadt. Aufgrund der starken Proteste konnte erreicht werden, dass sich der damals ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt für neue Wohnungen in anderen Städten einsetzte. Andere zogen nach Frankreich oder Italien.
Quelle: https://siro-hessen.app/erkunden?focused=%7E%272ferkunden2farheilger-strasse&viewMode=%7E%27nav